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Zeitzeugengespräch zum Warschauer Aufstand 1944

Am 7. März 2017 besuchten wir, die Klasse 9F sowie der Vierstünder Geschichte der Kursstufe 1, auf Initiative von Herrn Andreas Barth zusammen mit Herrn Matthias Kneller zu Fuß das Zeitzeugengespräch im Friedrich-Ebert-Haus in Heidelberg. Momentan kann man dort eine Ausstellung zum Warschauer Aufstand im Jahre 1944 besichtigen.

Da wir auf dem Hinweg noch ein wenig Zeit hatten, hielten wir noch bei einigen historischen Stationen in Heidelberg. Herr Kneller zeigte uns zum Beispiel den Platz der ehemaligen jüdischen Synagoge, die während der Reichskristallnacht 1938 zerstört worden ist.

Der Warschauer Aufstand
Am 1. August 1944 erhob sich die polnische Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer im so genannten Warschauer Aufstand. Mehrere Wochen hielten die polnischen Truppen den Deutschen stand, bis es nach 63 Tagen aufgrund der aussichtslosen Lage Polens und der Unterlegenheit der polnischen Armee zur Kapitulation kam. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten bereits etwa 18.000 Soldaten und ungefähr 150.000 Zivilisten ihr Leben im Aufstand gelassen.

Die Stadt Warschau wurde dem Erdboden gleich gemacht, als Symbol der Überlegenheit Nazi-Deutschlands. Die Bevölkerung wurde daraufhin entweder umgesiedelt, zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich gebracht, ins Konzentrationslager deportiert oder geriet in Kriegsgefangenschaft.

Einer der polnischen Widerstandskämpfer war unser Zeitzeuge Jakub Nowakowski, der uns von dem lang geplanten Aufstand und seinem Leben während der Besatzung erzählte.

Das Zeitzeugengespräch
Zuerst wurde der Zeitzeuge von einem Mitarbeiter des Friedrich-Ebert-Hauses, Herrn Zumbaum-Tomasi, interviewt und danach durften wir Schüler Fragen stellen. Das Gespräch wurde von einer Dolmetscherin vom Polnischen ins Deutsche übersetzt, da Herr Nowakowki nur Polnisch auf muttersprachlichem Niveau spricht.

Als Soldat kämpfte er gegen die deutschen Besatzungstruppen, um die Freiheit und Unabhängigkeit Polens sowohl gegenüber den Deutschen als auch den Russen zu verteidigen. Da im Osten die Rote Armee unter Stalin immer weiter vorrückte, wollte Polen sich nicht nur von den deutschen Besatzern befreien, sondern auch Russland als eigenständiger Staat gegenübertreten.

Eine der ersten Fragen des Museumspädagogen lautete, ob er in der Zeit des Aufstandes Angst hatte. Herr Nowakowski erwiderte, dass jeder Beteiligte am Aufstand Angst hatte, vor allem davor, erwischt zu werden. So erging es auch seiner Familie, die ihn häufig vor der Gefahr warnte, aber auch seinen Wunsch, sein Vaterland zu verteidigen, verstanden. Denn nicht nur Jakub Nowakowski selbst, sondern auch seine Schwester und sein Cousin nahmen ebenfalls am Aufstand teil.

Einmal habe man bei einem Gefecht mit den deutschen Soldaten als „Geschenk“ einen Lastwagen voller Handgranaten erbeutet. 14.000, wiederholt Herr Nowakowski auf Deutsch. Wenige Tage danach wurde die polnische Heimatarmee bei dem Versuch, den Danziger Bahnhof zu verteidigen, brutal niedergeschlagen. „Dabei wurde ein Freund von mir erschossen“, berichtet Herr Nowakowski mit trauriger Stimme. Weitere Wochen vergingen und die Lebensmittel der polnischen Heimatarmee wurden knapper und auch in Bezug auf die Bewaffnung war Polen den Deutschen schon von Anfang an unterlegen. „Eigentlich war der Aufstand von vornhinein zum Scheitern verurteilt“, stellt auch unser Zeitzeuge fest. Am 29. September 1944 kam es zu den letzten deutschen Angriffen und am 5. Oktober kapitulierte Warschau nach 63 Tagen des Aufstandes. Die Nachricht über die Kapitulation, erinnert sich Herr Nowakowski, löste schon eine gewisse Erleichterung bei ihm aus. Man hatte zwar nicht sein Ziel erreicht, aber er hatte überlebt.

Nach einer kurzen Pause konnten nun weitere Fragen gestellt werden. Er nahm sich dafür viel Zeit und erklärte uns nochmal, dass er in Bezug auf das Geschehene nicht nachtragend sei, da es früher andere Zeiten waren und man die schreckliche gemeinsame Vergangenheit zum Glück hinter sich lassen konnte.

Leider mussten unsere Klasse und die Kursstufe 1 aus zeitlichen Gründen an dieser Stelle gehen. Wir erfuhren also nicht mehr, wie es Herrn Nowakowski nach der Kapitulation erging. Trotzdem war es für uns eine außergewöhnliche Erfahrung, die Ereignisse aus erster Hand von einem der letzten Zeitzeugen geschildert zu bekommen.

Dank
An dieser Stelle möchten wir dem Zeitzeugen, Herrn Jakub Nowakowski, sowie den Verantwortlichen im Ebert-Haus danken, dass Sie uns Lernenden in Zusammenarbeit mit unseren Lehrern Herrn Andreas Barth sowie Herrn Matthias Kneller die Möglichkeit gegeben haben, als eine der letzten Schülergenerationen noch auf Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg zu treffen.

Emilia Kumler und Nina Brückmann, Klasse 9F





Zeitungsbericht aus der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ), vom 10.03.2017:

Zeitzeuge im Friedrich-Ebert-Haus berichtet über Warschauer Aufstand 1944

Zeitzeuge Jakub Nowakowski bereitete eine lebendige Geschichtsstunde im Friedrich-Ebert-Haus.


Von Arndt Krödel

"Meine Freunde von damals sind alle schon gestorben", sagt Jakub Nowakowski mit leiser Melancholie. Der 92-jährige Pole ist einer der letzten Zeitzeugen des Warschauer Aufstands von 1944, kämpfte aktiv in den Reihen des militärischen Widerstands gegen die deutschen Besatzer, die die polnische Bevölkerung brutal unterdrückten. Am 1. August 1944, als der Aufstand begann, war er 19 Jahre alt. Unter dem Decknamen "Tomek" schloss er sich einer Gruppierung der Polnischen Heimatarmee "Armia Krajowa" (AK) an und beteiligte sich mit der Waffe in der Hand an deren Operationen - bis zum bitteren Ende.

Im Heidelberger Friedrich-Ebert-Haus sitzt der weißhaarige Herr im dunklen Anzug vor einem überwiegend jungen Publikum und spricht mit ruhiger und klarer Stimme über seine bewegte Vergangenheit. "Ich habe Glück, dass ich so lange lebe", meint Nowakowski, "ich kann noch davon erzählen". Bescheiden fügt er hinzu, dass andere "mehr gemacht und erlebt" hätten als er, aber eben nicht mehr am Leben seien. 2011 hat er zum ersten Mal Jugendlichen in Deutschland als Zeitzeuge vom Warschauer Aufstand erzählt.

Nach Heidelberg kam er im Zusammenhang mit der polnischen Wanderausstellung "Warschau 1944" im Ebert-Haus. Guilhem Zumbaum-Tomasi, Museumspädagoge der Ebert-Gedenkstätte, hat gemeinsam mit Katarzyna Kienhuis vom "Museum des Warschauer Aufstands" in der polnischen Hauptstadt die Veranstaltung organisiert, zu der Schüler des Heidelberger St. Raphael-Gymnasiums sowie Jugendliche vom Internationalen Bund gekommen sind - eine lebendige Geschichtsstunde, die sie so schnell nicht vergessen werden. Zwei Wochen davor hatten sie schon die Ausstellung besucht und sich dann mit Fragen gezielt auf das Zeitzeugengespräch vorbereitet.

Eigentlich sollte der Warschauer Aufstand nur ein paar Tage dauern, berichtet Nowakowski, aber dann wurden es zwei Monate. Die Erhebung begann vorzeitig, weil man irrtümlich annahm, die anrückenden sowjetischen Truppen hätten schon den Ostteil Warschaus eingenommen. Es gab widersprüchliche Befehle an die Soldaten der Polnischen Heimatarmee, in den ersten Tagen herrschte ein großes Durcheinander. Ein Problem war von Beginn an, dass die Aufständischen bei der Ausrüstung mit Waffen klar unterlegen waren. Einmal habe man bei einem Gefecht mit deutschen Soldaten als "Geschenk" einen Lastwagen voller Handgranaten erbeutet - "vierzehntausend", wiederholt Nowakowski auf Deutsch. Er spricht die Sprache, führt das Zeitzeugengespräch aber auf Polnisch mit der Dolmetscherin Zofia Morcillo an seiner Seite, weil es sonst wohl zu anstrengend für ihn werden würde.

63 Tage dauerte der Befreiungsversuch, bis die polnische Armee am 5. Oktober 1944 kapitulieren musste. "Eigentlich war der Aufstand von vorneherein zum Scheitern verurteilt", stellt der Pole nicht nur im Hinblick auf die Waffenungleichheit fest. Es seien viele Fehler begangen worden. So hätte man damals weniger Angriffspunkte auswählen und eher konzentriert angreifen sollen. Auch habe es keine Zusammenarbeit mit der sowjetischen Armee gegeben. Die Nachricht über die Kapitulation, erinnert sich Nowakowski, löste schon eine gewisse Erleichterung bei ihm aus - dass man zwar sein Ziel nicht erreicht, aber überlebt habe: "Die Hoffnung auf ein freies Polen blieb."

Nach der Kapitulation kam der Widerstandskämpfer direkt in deutsche Kriegsgefangenschaft in das "Stalag XI-A", ein Lager in Altengrabow in Sachsen-Anhalt. Im kommunistisch-stalinistischen Polen der Nachkriegszeit zog er es vor, mit Biologie ein "apolitisches" Fach zu studieren, obwohl ihn der Journalismus viel mehr interessiert hätte. Wie er denn heute sein Verhältnis zu Deutschen und Russen beschreiben würde, fragt ihn ein Schüler. Jakub Nowakowski antwortet spontan auf Deutsch: "Das sind ganz andere Zeiten".

Info: Die Ausstellung "Warschau 1944" wird noch bis zum 2. April im Friedrich-Ebert-Haus, Pfaffengasse 18, gezeigt. Öffnungszeiten: täglich außer Montag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.

Quelle: RNZ, 10.03.2017, siehe Link

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