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„Kandvala“ und „The Game“

Um die KS1 aus der entstandenen „Corona-Blase“ zu holen, ließ Frau Siehl-Kaegi ihre Beziehungen zu zwei jungen Journalisten spielen. Deren Multimedia Projekt „Kandvala“ konfrontierte die Schüler*innen am 24.11.2021 mit dem Thema Migration, welches im coronabestimmten Alltag wie viele andere das Interesse der Öffentlichkeit verloren hat.

Sitara Ambrosio und Iván Cano erzählten in der Aula, begleitet von selbstgedrehten Videos, Bildern und Statistiken, die harte Lebensrealität von Flüchtlingen an der EU-Außengrenze in Kroatien. In der kleinen Stadt Bihac in Bosnien, auf der Balkanroute direkt vor der kroatischen Grenze, hatten die beiden freien Journalisten ihre Recherche begonnen. In Videoclips, die uns durch den Vortrag leiteten, vermittelten sie uns immer wieder Impressionen des Ortes.
Vor allem aber zeigten sie den Alltag der Flüchtlinge aus Bihac. Von ihm rührt auch der Titel „Kandvala“ der Präsentation her. Altes Gebäude oder Haus bedeutet dieses Wort, mit dem seine Bewohner es treffend bezeichnen. Es ist dreckig, durch fehlende Fenster ist es gerade im Winter bitterkalt und Einrichtung ist nur das, was die Menschen sich selbst beschaffen können: Matratzen, Fässer für offenes Feuer und Decken. Rund 200 Männer leben dort so gut es geht, auf der Flucht vor einer fehlenden Perspektive jeglicher Art in ihrem Heimatland. Ihre alltäglichen Beschäftigungen mitten in der Stadt sind lebenserhaltende Maßnahmen. Sie müssen Wasser aus dem Fluss „Una“ abkochen, während auf der gegenüberliegenden Seite „Schnitzel mit Pommes gegessen wird“, so Sitara. Ihr Essen müssen sich die Flüchtlinge selbst beschaffen, denn Hilfsarbeit kann in Bosnien mit bis zu 3 Jahren Haft bestraft werden. Aber auch die ungefüllte Zeit müssen sie totschlagen, wie uns mit Bildern von Cricket spielenden Männern verdeutlicht wurde. Immer wieder sind die Bewohner von Kandvala gezwungen, Räumungen der Polizei über sich ergehen zu lassen.
„Living in this building is really, really bad“, äußerte sich einer der drei Menschen, deren schicksalshafte Lebensgeschichte Sitara und Iván als Beispiel für viele ähnliche festhielten. Indem wir so persönliche Erfahrungen hörten, bekamen die Fakten und Daten plötzlichen ein Gesicht. Die Multimediapräsentation stellte die einzelnen Menschen als solche in den Mittelpunkt und gewann durch den Bezug auf sie an emotionaler Tiefe.
Die schlechten Bedingungen an Orten wie Bihac ertragen die Menschen nur in der Hoffnung auf Asyl in der EU. Genau dieses Menschenrecht wird ihnen an vielen Grenzen tagtäglich verwehrt. Die Art und Weise, auf die der Bruch der Menschenrechtscharta passiert, macht ihn noch um einiges grausamer. Sogenannte Pushbacks, das gewaltvolle Zurückdrängen von Migranten zurück jenseits der Grenzen der EU, werden von der Polizei immer wieder verübt. „The Game“ nennen die Flüchtlinge den lebensgefährlichen neuntägigen Marsch durch unbefestigte Waldgebiete nach Kroatien zynisch. Sie tragen oft schwere Verletzungen durch auf sie einprügelnden Polizisten davon, wenn sie den Grenzübertritt wagen. Diese Umstände konnten bisher nur an Indizien wie zertrümmerten Ellbogen und den Berichten von Zurückkehrenden festgemacht werden. Nun ist die Lage an der kroatischen Grenze durch eine Kooperation europäischer Mediengruppen mit Videos dokumentiert und bewiesen. Die Bezeichnung der Situation als „Imageschaden“, den die EU-Außenministerin Johansson als Reaktion postuliert, löste bei uns Kopfschütteln und empörte Mienen aus.
Über ein solches Aufbegehren nach ihrem Vortrag werden sich die beiden Referenten vermutlich gefreut haben. Denn ihr Ziel sei es, eine Auseinandersetzung mit dem oft unterrepräsentierten Thema der Migration zu schaffen. So antworteten die beiden auf eine Frage im Anschluss an die Vorstellung ihres Materials. Sie wollen ein Verständnis dafür aufbauen, dass gerade in diesem Moment die Rechte von Menschen an den EU-Außengrenzen verletzt werden; Außengrenzen der Institution, die sich eigentlich für die Bewahrung der Menschenrechte einsetzen will und dafür sogar den Friedensnobelpreis erhalten hat. Elena, eine der drei Personen aus den Videoclips, prangert dieses „double-face“ der EU in ihrem Fazit an und verlangt nach einer Änderung der Migrationspolitik. Sie ist immer noch in Bihac, während die beiden jungen Männer es nach Europa geschafft haben. Das erleichterte „I’m happy that I succeeded!“ von Danny macht dennoch Hoffnung nach dem teilweise sehr niederschmetternden Eindruck, den wir in den eineinhalb Stunden von der aktuellen Situation bekamen.

Den Frieden und die Stabilität, die die EU als Institution über Jahre hinweg erreicht hat, gilt es auch weiterhin zu bewahren. Aber: „Die Menschenrechte werden sich eben nicht von selbst erhalten“, ist Sitaras Fazit. Deshalb ist eine Änderung der Migrationspolitik unbedingt nötig.
Ivan und seine Kollegin ermahnen mit ihrem Projekt, sich der Situation der Flüchtlinge an unseren Grenzen bewusst zu werden, sich zu informieren und den eigenen Handlungsspielraum auszunutzen. Und mag er noch so klein sein.

Text: Lena Herrmann (KS1)
Bilder: Jannis Große, Bildmaterial des Multimedia-Vortrags

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